Verblüffend zu beobachten waren die einfachen und dabei wirkungsvollen Ansätze, die in manchen Unternehmen oder Vereinen bereits zur Kompensation altersbedingter Einschränkungen installiert wurden.
Enger: Bürgerforum- Erkenntnisse aus dem Projekt
Unsere Erkenntnisse aus dem Projekt „Wir sind Nachbarn- Demenz berührt mit vielen Gesichtern“, sind:
Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Anteil der Älteren stets stetig zunimmt. Eine Gesellschaft des langen Lebens stellt neue Fragen, auf die wir Antworten finden müssen. Die Diagnose Demenz verändert das Leben des Betroffenen und dessen Umfeld grundlegend. Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten, selbst und anderen gegenüber offen mit diesen Veränderungen umzugehen. Angst und Scham sind Gefühle, die viele Betroffene spüren. Verdrängung, Verschweigen und Verstecken führen häufig zum Rückzug in die eigenen vier Wände und zu schleichender Vereinsamung. Aber auch die Angehörigen leiden unter dieser großen Belastung- wer 24 Stunden am Tag für einen Menschen mit einer Demenz vor Ort ist stößt an seine Grenze zumal auch noch zusätzlich der Haushalt, Berufsleben oder auch noch Kindererziehung zu vereinbaren ist. Das macht deutlich, das Demenz mehr ist als ein Fachthema für einige Professionellen in Medizin, Pflege und Gesundheitswesen allgemein. Zwar ist eine gute pflegerisch-medizinische Versorgung ein wesentlicher Faktor der die Lebensqualität von Menschen mit einer Demenz und deren Angehörigen positiv beeinflusst.
Die Lebensqualität wird aber von sehr viel mehr bestimmt, mit solchen Fragen wie:
- Werde ich von meinem Umfeld als Mensch wahrgenommen, mit meinen Wünschen, Ängsten und Interessen?
- Kann ich mich darauf verlassen, dass sich Menschen um mich kümmern wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin?
- Steht mir ein Angebot an Aktivitäten zur Verfügung, für die ich mich begeistere?
Die Antworten auf diese oder ähnliche Fragen hängen zu einem großen Teil von den örtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der technischen Infrastruktur und der verfügbaren Dienstleistungen wie auch des sozialen Zusammenhaltes ab. Die Kommune hat die Möglichkeit, diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vor Ort zu beeinflussen. Die Alzheimer Beratungsstelle Enger hatte sich daher folgende Ziele gesetzt:
- Das Thema Demenz enttabuisieren, sensibilisieren und Solidarität schaffen
- Betreuende und pflegende Angehörige zu entlasten
- Die Lebenssituation von Menschen mit Demenz verbessern und stabilisieren
- Neue Rollen für bürgerschaftliches Engagement entwickeln
Wir sehen die Stadt Enger als eine menschenfreundliche Stadt, die sich um die Belange der Bürger/innen sorgt. Ziel wird es daher sein, die Familien, in denen Menschen mit einer Demenz leben, dadurch zu unterstützen, indem bürgerschaftliches Engagement aktiviert und unterstützt wird, vor allem mit beruflichen Engagement in der Pflege gekoppelt. Die Gewährleistung möglichst hoher Lebensqualität in jedem Alter schließt insbesondre Menschen mit einer Demenz ein, denn viele von Ihnen können nicht laut und deutlich ihre gesellschaftlichen Interessen vertreten.
Demenz ist nicht nur ein Thema für Profis, sondern ein Thema der Gesellschaft:
- Es geht um Fragen der Haltung und der öffentlichen Einstellung gegenüber Menschen mit einer Demenz.
- Es müssen mehrere gesellschaftliche Bereiche eingebunden werden, um Verbesserungen auf lokaler Ebene zu erreichen.
- Es gilt für Enger, neue Strategien für die Zukunft zu entwickeln: Alter neu denken.
- Integration von Kultur und Kunst sowie gemeinsame Begegnungsformen schaffen
Alter ist traditionell besetzt mit Attributen wie hilfs- oder pflegebedürftig, krank, schwach oder unselbständig. Lange Zeit hat sich auch kommunales Handeln an der Seniorenpolitik an diesem Defizitmodell des Alters orientiert, d.h. die Kommune greift dort ein, wo aus körperlichen oder psychischen Gründen Hilfen notwendig werden. Das klassische Bild vom hilfebedürftigen alten Menschen trifft jedoch längst nicht mehr so zu. Wer heute aus dem Berufsleben ausscheidet kann sich auf 20 oder 30 weitere Lebensjahr freuen: Das Alter ist eine eigenständige Lebensphase, die es zu gestalten gilt. Hier liegt ein wichtiger Anknüpfungspunkt für kommunale Akteure.
Als Beispiel gibt es in Enger auch das Senioren Experten Team Enger/Bielefeld schon seit 4 Jahren mit den verschiedensten Fähigkeiten der aktiven Senioren, die Ihre Lebenserfahrungen an Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Baugesellschaften oder auch Kommunen weitergeben, zu der auch z.B. Frau Brechmann vom Verein Alt und Jung Süd-West e.V. aus Bielefeld gehört, bekannt durch das "Bielefelder Modell". Im Vordergrund des SET stehen wohnortnah der Dialog der Generationen und die Umsetzung von Projekten, in denen ein intergenerativer Austausch stattfinden kann. Diese Projekte werden zusammen mit Kooperationspartnern wie Kindergärten und Schulen sowie Jugendzentren und Altenheime weiterentwickelt. Durch die zahlreichen Einzelprojekte die im Laufe der Zeit begonnen wurden ist ein sehr aktives Netzwerk von engagierten Bürger/innen in Enger und dem Verein Alt und Jung in Bielefeld entstanden. Diese kreativen Köpfe entwickeln bestehende Projekte weiter und denken kontinuierlich über neue Ansätze nach auch über Begegnungsformen von Menschen mit und ohne Demenz.
Das Projekt „Wir sind Nachbarn- Demenz berührt mit vielen Gesichtern“ möchte die gemachten Erfahrungen aus dem Projekt nutzen und für die zivilgesellschaftlichen Initiativen in Enger und wo auch immer gewünscht, weitergeben. Wir haben wichtige Erfahrungen machen dürfen:
- Von zentraler Bedeutung ist selbstverständlich stets die Stabilisierung der häuslichen Situation, was bei Fortschreiten der Krankheit immer mehr Zeit und Präsenz erfordert
- aber auch die offenen Begegnungsformen von Menschen mit und ohne Demenz und die Teilhabe an Kunst und Kultur eröffnen neue Perspektiven die nicht zu unterschätzen sind. Wir möchten nicht unerwähnt lassen, das bei diesen Veranstaltungen das größte Interesse bestand.
Hier kann das Einbeziehen der Nachbarschaft und das bürgerschaftliche Engagement, Entlastung, Teilhabe und Integration ermöglichen. Wir wollten mit den 47 verschiedenen Aktionen in diesem Jahr behutsam Demenz aus der Schweigeecke ziehen, gemeinsam darüber sprechen und es als gesellschaftliches Thema besetzen. Wir sehen die Alzheimer Beratungsstelle Enger seit September 2006 mit Unterstützung der Ruth und Willi Biermann Stiftung als einen Beratungsstützpunkt mit dem Thema Demenz für Enger an, der in den zurückliegenden Jahren immer häufiger frequentiert wird.
Es bestehen weiterhin Gedanken mit den Unterstützern wie z.B. Ärzten, Apotheken, Geriatrisches Fachkrankenhaus) der evang. (Frau Scheuer) und Kath. Kirchengemeinden (Bernd F. Müller), unter Einbeziehung der einzelnen örtlichen Begebenheiten, als einen Netzwerk-Knotenpunkt weiter zu entwickeln. Die Idee ist hier, parallel zur Arbeit in der Beratungsstelle, der Pflegeberatung vor Ort der Stadt Enger und den Pflegestützpunkten der Pflegekassen , zusammen mit bürgerschaftlichen Akteuren bestehende Angebote zu öffnen und Impulse für neue Angebote in Enger zu geben.
Je mehr Bürger/innen mitmachen, umso mehr kann geschehen. Ohne die Wahrnehmung des Modellprojektes in der Öffentlichkeit wäre jede Mühe umsonst. Die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen machen uns zum Beispiel die Schwächen unserer Gesellschaft deutlich. Sie erfahren oft, dass sie alleingelassen sind, dass es keine oder nur wenige und damit nicht ausreichende wärmende Milieus gibt, in denen sie „Zuflucht“ finden. Wer mit einer Demenz zurechtkommen muss, wird nicht selten früher als notwendig auf professionelle Hilfe angewiesen sein, da kommunale, nachbarschaftliche oder familiäre Auffangnetze noch in einer gewissen Anzahl fehlen. Die Stimme der Menschen mit Demenz fordert uns dazu auf, unseren Alltag neu zu überdenken – gemeinsam mit den Betroffenen.
Der Generationen Treff Enger, bietet den Bürgerinnen und Bürgern seit 1998 eine Kommunikationsplattform mit den verschiedenen Möglichkeiten sich zu entfalten. Die Alzheimer Beratungsstelle Enger mit ihren engagierten Bürgerinnen hat es sich mit Gründung seit September 2006 zur Aufgabe gemacht, Menschen in Enger darin zu unterstützen, bzw. anzuregen, neue Wege auch im Umgang mit der Demenz zu gehen und älteren Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen – diesem Ziel fühlt sich auch die Ruth und Willi Biermann-Stiftung aus Enger verpflichtet und unterstützt daher mit allen sich bietenden Möglichkeiten auch verschiedene Projekte der Alzheimer Beratungsstelle in Enger. Ohne die Hilfe der Stiftung wären wir noch lange nicht so weit in Enger fortgeschritten.
Die Beratungsstelle versteht sich als Sprachrohr für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Beide Zielgruppen brauchen eine starke Lobby und sehr viel Unterstützung. Hier ist eine neue Kultur des gegenseitigen Verstehens, Sich-Wahrnehmens und -Vermittelns gefragt, die einen möglichst langen Erhalt von Autonomie und Lebensqualität für Menschen mit und ohne Demenz zum Ziel hat. Auch unserer Gesellschaft muss sich die Frage nach dem Umgang mit Anderssein und gesellschaftlicher Teilhabe stellen, und das ist gut so!
In diesem Sinne war das Projekt „Wir sind Nachbarn-Demenz berührt mit vielen Gesichtern“ für uns ein Durchbruch, indem wir das Miteinander mit all den zahlreichen Unterstützern in unserem Gemeinwesen, der ein neues Verhältnis zu den Menschen mit Demenz gründet – und spätestens da wird deutlich, dass die Menschen mit Demenz und die Angehörigen nicht zuerst eine Last sind, sondern dass sie uns die Weichenstellung in eine menschenfreundlichere Kommune zeigen können. Die Stadt Enger und alle Unterstützer zeigen mit ihrem Vorgehen und die damit verbundene Unterstützung des Projektes einen Weg auf, der in Teilbereichen, und angepasst an die örtlichen Möglichkeiten, weiter die begonnenen Wege beschritten werden sollten.
Echte Verbesserungen für die Situation der Menschen mit Demenz können nur passieren, wenn Formen der Gemeinsamkeiten in Enger mit den Unterstützern und Betroffenen weiter entwickelt und ausgelebt werden können. Wir danken allen 30 ehrenamtlich engagierten Bürger/innen der Alzheimer Beratungsstelle Enger und den Unterstützern für das außergewöhnlich gezeigte Interesse, der Aktion Demenz e.V. und der Robert Bosch Stiftung für die Unterstützung. Nicht zuletzt hoffen wir auch auf eine nachhaltige Außenwirkung wenn es dann in 2012 heißt:
„Umgedacht- Demenzoffensive Enger 2012“
Alzheimer Beratungsstelle Enger
Werther Straße 22
32130 Enger