Am meisten beeindruckt hat mich der unproblematische und offene Umgang von Kindern mit Demenzkranken auch wenn sie keine Vorerfahrungen haben.
Vielfalt statt Einfalt
Sich direkt und persönlich über Erfahrungen austauschen zu können, das stand im Zentrum des Workshops, den Aktion Demenz für die teilnehmenden Projekte des Förderprogramms „Demenzfreundliche Kommunen“ in Bad Nauheim am 14. und 15. November 2011 organisiert hatte. Fast zwanzig Vertreterinnen und Vertreter von aktiven Projekten nutzten die Gelegenheit und trugen eine Fülle von positiven Ansätzen und kritischen Beobachtungen zusammen.
Die Palette der Angebote und Projektansätze der Initiativen reicht von Informationskampagnen in Vereinen oder Berufsverbänden über große öffentliche Veranstaltungen bis hin zu speziell ausgearbeiteten Kursen für Interessengruppen in Sport, Kultur, Religion oder nachbarschaftlich orientierten Unterstützungsnetzwerken. Allen gemeinsam ist, dass der Einsatz für eine demenzfreundliche Kommune fast ausschließlich ehrenamtlich geleistet wurde und wird. Sie alle haben sich auf den Weg gemacht, herauszufinden, wie ein Gemeinwesen organisiert ist, in dem Demenz als besondere Form des Alterns gelebt werden kann.
Der Workshop war bewusst so konzipiert, dass die sonst häufige Überfrachtung und dadurch Zeitdruck vermieden wurden. Im Zentrum stand der intensive Erfahrungsaustausch. Wenig überraschend ist für alle Projekte die Frage der fehlenden Finanzen und knappen personellen Ressourcen sehr wichtig, um eine Weiterarbeit zu ermöglichen. Je nach institutioneller Anbindung und geschaffener Infrastruktur gibt es jeweils unterschiedliche Perspektiven. Fast alle sind jedoch entschlossen, die Ansätze in modifizierter Form weiterzuführen.
So unterschiedlich die Konzepte der Projekte, so verbindet sie doch eine Reihe von Fragen, denen sie sich bei ihrer Arbeit vor Ort zu stellen haben. Für alle war es von besonderem Interesse, sich darüber zu verständigen, wie das Etikett „Demenz“ zu verwenden sei. Eine pauschal gültige Lösung gibt es dafür nicht, die Erfahrungen zeigen jedoch, dass es für niedrigschwellige Angebote, mit denen erstmal Interesse geweckt werden soll, oft besser ist, den angstbesetzten Begriff nicht an erster Stelle zu verwenden, sondern eher vom „Leben im Alter“ oder „Wohnen im Alter“ zu sprechen. Auch gilt es zu unterscheiden zwischen der Ansprache von Betroffenen und Angehörigen, bestimmten Interessengruppen und der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit.
Für die Öffentlichkeitsarbeit haben sich vielerlei Strategien bewährt. Persönliche und schriftliche Kontakte zu Handel, Banken, Gastronomien, Kulturveranstaltern, Schulen und Bildungsträgern und bürgerschaftlichen Strukturen (z.B. auch Vereine und runde Tische) helfen dabei, für das Thema Aufmerksamkeit zu gewinnen. Daneben muss freilich die Werbung mit den üblichen Medien (Handzettel, Aushänge) und die Zusammenarbeit mit der Presse betrieben werden. In den Medien durchzudringen, gelingt indessen nur wenigen und nur mit grossem Aufwand oder besonders günstigen Konstellationen.
Als andere Schwierigkeit wurde die Kooperation mit Institutionen genannt wie z.B. Krankenhäusern, die durch ihre Strukturen und schiere Größe sehr unbeweglich sind. Unter Umständen begegnet man hier auch einem anderen Hindernis, dass die Angebote und Sensibilisierungsmaßnahmen als „Konkurrenz“ wahrgenommen und deshalb nicht aufgegriffen werden. Hier gilt es besonders auch auf Konventionen zu achten (z.B. Mittwochs ist immer Seniorentag) oder auch den Mix von Profis und Ehrenamtlichen sorgfältig zu prüfen. Manchmal sind es auch einfache Informationsdefizite oder kulturelle Unterschiede (z.B. Migrationszusammenhänge), die durch entsprechende Eigeninitiative oder das Aufdecken von Vorurteilen und Vorbehalten ausgeglichen werden können. Noch wenig zugänglich zeigten sich in vielen Fällen der Handel bzw. überregionale Discounterketten.
Bemerkt wurden auch Probleme durch eigene „verkopfte Ansätze“ wie etwa die Tendenz, zu viel zu schnell zu wollen und dabei die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Zielgruppen auszublenden. Ähnlich kritisch wirkt sich aus, wenn es eingefahrene Muster bei bestehenden Akteuren vor Ort gibt. Oder auch die schlichte Überforderung von Freiwilligen, die durch eine koordinierende und beratende Begleitung durch Hauptamtliche vermeidbar ist.
Einhellig befanden die Aktiven es als die größte Herausforderung, den mentalen Umschwung herbeizuführen, der sich dahin orientiert, Menschen mit Demenz einfach als dazugehörig zu einer menschenfreundlichen Gesellschaft wahrzunehmen. Aktionen zu starten und weitere Versorgungs- und Begleitungsstrukturen zu erstreiten. Die Ergebnisse solcher Bemühungen lassen sich messen, zählen, dokumentieren. Erfolge, die hier bereits schwer gelingen, sind im Vergleich zur benötigten Anstrengung, das Bewusstsein zu verändern und neue innere Einstellungen zu schaffen, dennoch eher einfach zu erzielen.
Trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen beeindruckt nach anderthalb Jahren die Bilanz der Projekte, die mit zahlreichen Schulungsangeboten und Sensibilisierungsaktionen nicht nur für Angehörige einen Qualifizierungsschub bewirkt haben, sondern vorgedrungen sind in Empfehlungsrichtlinien für Stadtplaner oder auch die offizielle Aufnahme von Demenz in die Seelsorge. Begleitung, Beteiligung und Entlastung von Menschen mit Demenz und Begegnung mit anderen hat ganz praktisch stattgefunden und Ängste und Vorurteile wurden abgebaut. Auch gelang es vereinzelt, die kommunalen Entscheidungsträger dafür zu gewinnen, dass bestimmte Angebote und bürgerschaftliche Aktivitäten künftig im Budget berücksichtigt werden. Die Bedeutung neuer, tragfähiger Netzwerke der Solidarität und Freundschaft in Nachbarschaften, Wohnquartieren und Stadtteilen ist ins öffentliche Bewusstsein gehoben und im Umfeld der geförderten Projekte auch von anderen Kommunen wahrgenommen worden. Es sind erste Schritte dahin, dass politische Weichen gestellt werden für Rahmenbedingungen, die ein bürgerschaftlich getragenes Engagement für Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Demenz unterstützen.