Hohenhameln auf dem Weg zur demenzfreundlichen Kommune

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Vortrag des Pflegeforschers Prof. Erwin Böhm am 23. Oktober 2013 in Hohenhameln -


Ein Aufruf, Verhaltenseigenarten des Alters zu sehen und sich hinein zu fühlen.


Das Psychographische Pflegemodell, das Prof. Böhm in jahrzehntelanger Praxis entwickelt hat, fördert nach seinen Aussagen ein vertieftes Verstehen durch die intensive Auseinandersetzung mit der emotionalen Biographie des alten Menschen. Dessen psychische Wiederbelebung (Reaktivierung) sowie die Förderung seiner Ressourcen und die Anerkennung seiner biographisch gewachsenen Identität sind die Ziele dieses Ansatzes. Aus heutiger Sicht ungewöhnlich anmutende Verhaltensweisen alter Menschen sollten nicht als bloße Störungen diagnostiziert, sondern als Ausdruck einer in den ersten 25 Lebensjahren erworbenen psychobiographischen Normalität verstanden und akzeptiert werden, fordert Böhm. „Die Biographie macht mich zu dem, was ich bin.“ In seinem Ansatz geht er davon aus, dass auch der demente Mensch in seinem Gefühl weitgehend erreichbar bleibt und durch Schlüsselreize, abgeleitet aus der individuellen und kollektiven Biographie (z. B. die „Kriegsgeneration“) die Lebensenergie wieder neu entfacht werden könne. Aus seiner 25-jährigen Berufspraxis berichtet er davon, dass ein sehr großer Teil seiner betagten Patienten durch diese „seelische“ statt einer rein somatischen Pflege eine umfassende Verbesserung ihrer Befindlichkeit erlebt hätten und auch die Betreuer einen neuen motivierenden Sinn in ihrer Tätigkeit erfuhren. „Seelenlifting statt Gesichtsstraffung“ ist daher auch der Titel einer seiner Veröffentlichungen. Er rät dazu, lebendig zu bleiben, solange man lebt, sich Anregungen zu holen, Neues zu erlernen und gibt zu bedenken, dass länger zu leben heutzutage bedeutet, sich öfter anpassen zu müssen. Sich nicht mehr anzupassen hat nach seiner Auffassung zur Folge, fremd bestimmt zu werden. „Früher haben die Jungen von den Alten gelernt, heute lernen wir Alten von den Jungen.“


Provozierend waren für viele der zahlreichen Zuhörer sicherlich einige seiner Äußerungen, aber zum Nachdenken haben sie wohl durchgehend angeregt. „Nicht Gutes tun, sondern Gutes bewirken“, das hat er auch den Mitgliedern des Generationenhilfevereins deutlich zu verstehen gegeben. Hilfen, die dazu dienen, möglichst lange im eigenen, lieb gewordenen Zuhause wohnen zu bleiben ja, aber nicht alles abnehmen. Ist aber der Zeitpunkt gekommen, dass eine stationäre Betreuung die beste Lösung ist, möge das bitte auch ein Aufleben bedeuten, eine Wiederbelebung der noch vorhandenen Ressourcen, nicht ein Aufheben.