Demenz - Krankheit oder der normale Alterungsprozess?

Druckversion
Ort: 
Hohenhameln

„Demenz ist nicht heilbar, aber behandelbar“,  so lautet das Fazit des Facharztes für Psychiatrie Ansgar Piel nach seinem Vortrag.
Zum dritten Abend der Vortragsreihe mit dem Thema Demenz hatte der Generationenhilfeverein Börderegion e. V. am 7. Mai in das Pfarrheim der katholischen Kirche eingeladen. Im voll besetzten Haus erläuterte der Referent die am häufigsten auftretenden  Formen von Demenz: die Alzheimer-Demenz, benannt nach dem Forscher Alois Alzheimer (70%), bei der etwa ab dem 60. Lebensjahr Gedächtnisstörungen auftreten, ausgelöst durch die langsame Reduzierung von Nervenzellen; die Lewy-Körperchen Demenz, bei der Nervenzellen vor allem in der Großhirnrinde und im Hirnstamm zerstört werden; die vaskuläre Demenz, bei der durch Verengungen der Blutgefäße Teile des Gehirns nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, z. B. nach einem Schlaganfall und die frontotemporale Demenz, bei der Nervenzellen aus dem Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns, verantwortliche für die Kontrolle der Gefühle und das Sozialverhalten, allmählich zugrunde gehen. Von dieser letzten Form sind übrigens anders als bei der Alzheimer Demenz jüngere Menschen zwischen 50 und 60 Jahren betroffen.

Wenn wir nun das 60. Lebensjahr überschritten haben und bei uns eine zunehmende Vergesslichkeit wahrnehmen, ist das ein Anzeichen für eine beginnende Demenz? Die britische Schriftstellerin Virginia Ironside widerspricht dem und sagt, man solle sich keine Sorgen machen, wenn man häufig auf der Suche nach seiner Brille sei. Kritisch werde es, wenn wir nicht mehr wüssten, wozu eine Brille gut sei. 
Herr Piel, der als Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes beim Landkreis Peine tätig ist, benennt drei Merkmale, die deutliche Hinweise auf eine Demenz geben können:
1. Störung des Gedächtnisses,
2. Störung des Denkvermögens und
3. Störung der emotionalen Kontrolle.
Treten diese Störungen gemeinsam auf, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen, um diagnostische Test durchführen zu lassen. Wichtig ist dabei auch die Auskunft der Angehörigen über den Beginn und die Ausprägung der Störungen. Erhärtet sich anhand eines Fragenkatalogs der Verdacht, sind intensive Untersuchungen bei Fachärzten mit Hilfe geeigneter Apparate angezeigt. Verständlicher Weise erhoffen sich die Patienten nach der Diagnose Demenz vom Arzt die Verordnung eines passenden Medikaments, um geheilt zu werden. „Und genau da liegt das Problem“, so der Facharzt, „trotz aller Forschungsbemühungen konnte bisher noch kein Medikament gefunden werden, welches Demenz heilt, allenfalls gibt es die Möglichkeit, den Ist-Zustand etwas länger zu bewahren und die Geschwindigkeit des Verlaufs einige Zeit zu verlangsamen.“ Hier spricht er eine deutliche Warnung aus: „Viele Medikamente, die verabreicht werden, sind sogar gefährlich, da Sie starke Nebenwirkungen haben können und zur Verschlechterung des Zustands beitragen“.
Seine These, dass Demenz aber behandelbar sei, erläutert er anhand von Beispielen. So sei Bildung von sehr großer Bedeutung, denn „wo viel ist, fällt es einem selber nicht so schwer, wenn es langsam weniger wird.“ Regelmäßige gesunde Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme wirken sich positiv auf den Verlauf aus, und besonders eine aktive Gestaltung des Tagesablaufs mit Anregungen von außen. Dies kann darüber hinaus ein wirksames Mittel gegen Schlafstörungen sein, unter denen Menschen mit Demenz und mit ihnen ihre Angehörigen häufig leiden. In diesen Fällen rät Herr Piel zu getrennten Schlafzimmern, wenn dies räumlich möglich sei. Und stationären Einrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Demenz empfiehlt er Betreuungskräfte einzusetzen, die nachts Beschäftigungsangebote machen. „Aus einem nachtaktiven Menschen machen Sie niemanden, der um 18 Uhr schon ruhig im Bett liegen möchte, das geht nur mit Medikamenten“, sagt Piel.

Hier greift er das Problem des „Pflegenotstands“ auf, das sich in Zukunft mit den geburtenstarken Jahrgängen noch dramatisch verschlimmern wird. „Sie machen es richtig,“ ermuntert er die Zuhörer, „indem Sie sich in Ihren Gemeinden und als Mitglieder des Generationenhilfevereins um einander kümmern und für einander da sind. Nur so wird es noch funktionieren können.“